Aufheizraten bei HE(R)MS Systemen

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Aufheizraten bei HE(R)MS Systemen

#1

Beitrag: # 257112Beitrag contraste
Mittwoch 24. Januar 2018, 19:30

 
Ich hatte bereits zu Ostern eine Meßreihe gestartet, betreffend die Aufheizzeiten bezüglich der Frage von morcalawin im 130l-HERMS-Threat.
 
Ich selber besitze 2 China-Sudpfannen (25l+), einen Induktionstopf (30l) und einen Thermoport (40l), die mir bisher BIAB, Kombimaische, Rührrasten und Dekoktion ermöglichten. Um im nichtheizbaren Thermoport auch Rasten fahren zu können, interessierte ich mich für das im amerikanischen (neben Kombirast) weit verbreitete sogenannte HERMS-Verfahren.
 
Im deutschen Hobbybrauerforum werden jedoch (bis auf das Braubike und wenige Ausnahmen) stark die Verfahren  „gerührte Bottichmaische/LäuterTopf/Sudpfanne“ (Hendi, Topf, Rührwerk, Thermoport mit Hexe) beziehungsweise die kommerziellen RIMS-Systeme (BT, GF, BM, China-Klone) favorisiert.

Dieses irritierte mich und ich wollte die Aufheizraten des hier weitgehend kaum benutzten HERMS-Systems herausfinden. Zuvor jedoch ein kleiner Abriß der HERMS/RIMS-Systeme (auch um die Begriffe zu definieren):
 


Bei der klassischen Bottichmaische wird die Maischepfanne zumeist von unten beheizt mit starken Kochern (wie 3K-Induktion, Gas). Um hier eine Anbrennen des Malzmehles, als auch eine homogene Temperaturverteilung in der Maische zu erreichen, ist ein mechanisches Rühren während der Aufheizphasen nötig.

Bei den weit verbreiteten RIMS-Systemen (Recirculating Infusion Mash System) sind Maischepfanne und Läutertopf kombiniert. Schleppkette am Maischetopfboden, als auch Rührwerk oberhalb des Läuterbodens innerhalb der Maische sind hier mechanisch schwierig ausführbar. Deswegen ist man (ich meine Speidel voran) auf die Idee gekommen, die Dünn-Maische per Pumpe permanent zirkulieren zu lassen (Recirculating Infusion). Vorteile sind ein stärkeres/besseres Auslaugen des Trebers, Nachteile ein eventuelles Zusetzen des Trebers bei zu hohen Durchsätzen, bzw. Zusetzen der Pumpe durch Schmodder.      



Ich fasse in der kommenden Untersuchung Bottichmaische mit Rührwerk und RIMS-System als gemeinsame Vertreter des direct-heating zusammen.


 
Im Amerikanischen Raum ist das HERMS-System (Heat Exchange Recirculating Mash System) stark verbreitet. Es besteht aus einem Heißwassertank (HLT = HotLiquorTank) der zudem anschließend auch als Nachgußbereiter dient, als auch einem Maische/Läuterbehälter (MLT = MashLauterTun). Im HLT befindet sich ein Wärmetauscher (coil). Die Würze/Dünnmaische (wort) wird per Pumpe aus dem MLT abgezogen, durch den Coil im HLT auf Rast-Temperatur erhitzt und zurück in den MLT gebracht.
Ich würde es eher HE-RIMS nennen: Denn auch hier wird die Maische im Läutertopf als  „Recirculating Infusion MS“ per Pumpe permanent (bzw. während der Heizphasen) durchströmt. Der Unterschied zum RIMS ist jedoch, daß die Maische nicht direkt per Heizelement (Strom/Gas) sondern über einen Wärmetauscher  auf die geforderten Rasttemperaturen erhitzt wird – Heat Exchange statt Direct Heating im klassischen RIMS (wie z.B. Braumeister).

Direct Heating Systeme wie Gas oder Heizstäbe arbeiten mit hohen Temperaturen auch über 100°C. Hier muß die Wärme also schnell abgeführt werden (Rühren, RIMS, Pumpen). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß die (Dünn)Maische an der Kontaktfläche kurzzeitig mit hohen Temperaturen in Kontakt kommt. HERMS/HE-RIMS-Systeme legen jedoch in einem Heizkessel (HLT) lediglich die Zieltemperatur vor.
Dieses hat den Vorteil, daß die gewählte Rasttemperatur nicht nach oben überfahren werden kann.  Der Nachteil ist, daß der TemperaturGradient geringer ist, somit die Heizphase länger sein müßte, und sich eher asymptotisch nähert statt linear. Dafür muß keine Hysterese mit frühzeitigem Heiz-abschalten berechnet und eingehalten werden, da die vorgelegte Temperatur nicht überfahren werden kann.

Mir ist klar, daß der direkte Kontakt der Maische zu den Heizstäben auch geschmackliche (Karamell, Maillard) oder andere  Auswirkungen haben mag (insbesondere Dekoktion), doch das möchte ich hier in diesem Threat nicht diskutieren. In diesem Threat geht es mir bitte ALLEINIG um die Aufheiz-Zeiten der einzelnen Systeme. 



Als viertes möchte ich hier noch das HEMS-System einführen, das von dem Hobbybrauer Stahlsau im alten Forum (als umgekehrtes HERMS) favorisiert wird. Dieses war der eigentliche Zweck meiner Untersuchungen. Ausgangspunkt war, daß ich im Thermoport nur Kombirast fahren konnte. Meine Überlegungen waren, in den Thermoport meine Kühlspirale zu hängen und mittels einem HLT heißes (Rasttemperatur) Wasser zirkulieren zu lassen. Also Heat Exchange Mash System (HEMS). Den Coil nicht im HLT, sondern im MLT, Wasserzirkulation statt Würzezirkulation bei gleichzeitigem Maischerühren - somit keine Reinigungsprobleme des coil oder zusetzen der Pumpe durch evtl. dickere Dünmaische. Pumpe kaufen, statt Rührwerk.

Ich weiß, daß ich mir hier alle Nachteile der obigen Systeme einhandele, Rühren im Läutertopf zur gleichmäßigen Wärmeverteilung, geringer Temperaturgradient, geringere Malz-Auslaugung, geringere Würzeklarheit etc. – jedoch möchte ich in diesem Threat NICHT die Vor- oder Nach-Teile der einzelnen Systeme diskutieren. Das mag gerne in einem anderen Threat diskutiert werden. In diesem Threat geht es mir bitte ALLEINIG um die Aufheiz-Zeiten dieser einzelnen Systeme. 
 


Und so begann ich den Versuch, die Aufheizrate meines Systems zu bestimmen. Zum Einsatz als HLT kam ein Klarstein Füllhorn. Das ist ein mit 2,5kW beheizbarer doppelwandiger isolierter hoher Kessel mit eingebautem Temperaturfühler/Steuerung. Zur Vergleichsmessung kamen noch zwei China-Thermometer und ein Inkbird zum Einsatz.

Als Wärmetauscher hatte ich meine Edelstahl-Kühlspirale (22 Windungen, 22cm Durchmesser), als auch eine günstige 12V Chinapumpe mit 9 l/min Durchsatz im Einsatz. 

Als MLT nutzte ich einen Klarstein Beerfest. Das ist ein (theoretisch beheizbarer – hier jedoch nicht!) doppelwandiger isolierter hoher Topf mit Ablasshahn.


Als Medium nutzte ich aus Kostengründen nicht Maische, sondern jeweils 20 l Leitungs-Wasser. Ich denke, daß aber trotz unterschiedlicher Temperatur-Kapazität/Speicherfähigkeit das Prinzip in den Messungen erkennbar sein sollte. Beide Medien, sowohl im HLT, als auch im MLT wurden nicht gerührt.

Als Stoppuhr nutzte ich einen Tablet-Timer und nahm die Meßwerte minütlich manuell auf. 
 
Zur Bestimmung der allgemeinen Aufheizrate heizte ich von Wassertemperatur 15°C auf 52°C auf. Hier war ich überrascht davon, daß mein System anfänglich auf fast 2°C/min kommt, ging ich doch davon aus, daß in den meisten Rezepten mit 1°C/min kalkuliert wird. Aber diese Aufheizrate ist ja auch in Wasser gemessen, und nicht in Maische.
 
Es stellten sich folgende Aufheizzeiten heraus (20l Wasser von 15°C auf 52°C):
•Bottichsystem  mit elektrischer Bodenheizung :                 23-24 Minuten
•HERMS/HE-RIMS mit wort thru coil im HLT:                         27 Minuten
•HEMS ala Stahlsau mit water thru coil im MLT:                    47 Minuten
 


Hier hielt das klassische HERMS/HE-RIMS Verfahren sehr gut mit der klassischen Bottichmaische Direct-Heating mit. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, daß (gegenüber Heizspiralen) die niedrigere Vorlauftemperatur von 55°, die ja zum Schluß nur langsam angenähert werden kann, negativeren Einfluß hätte.

Daß das HEMS-Verfahren jedoch fast doppelt solange benötigte, fand ich enttäuschend.

 
Wenn man sich aber den zeitlichen Verlauf anschaut, dann heizt das elektrische Bottichsystem  relativ kontinuierlich mit ca 1,8°C/min. Gut erkennbat an der Linearität (=Gerade) der blauen Kurve.
 
Das HERMS/HE-RIMS System (=Parabel) startet dagegen mit gut 4 °C/min Aufheizgeschwindigkeit, wobei gleichzeitig die Temperatur im HLT von 55°C auf 37°C bereits in der ersten Minute zusammenbricht. In der zweiten Minute bricht sie dann noch auf 34°C nieder. Der HLT schafft es kaum nachzuheizen und kann allenfalls noch über die nächsten 6 Minuten die 34°C halten.


Trotz dieser geringen Temperaturdifferenz schafft es das HERMS/HE-RIMS System, dem HLT bis zur 6. Minute über 2°C/min (Würzetemperatursteigerung) durch das coil zu entziehen. In der 7.ten Minute ist der Vorlauf im HLT bei 36°C, der wort im MLT bei 33°C.

Ich vermute: Die längere Aufheizzeit des HERMS/HE-RIMS-Systems ist im wesentlichen der Tatsache geschuldet, daß die Vorlauftemperatur nicht mithalten konnte. Ich vermute bei größerer Temperaturkapazität des HLT sind die Aufheizzeiten des HERMS/HE-RIMS-Systems schneller, als die Aufheizzeit des DH-Systems (Direct Heating). Hätte der HLT durch höhere Wärmekapazität/Menge oder stärkere Nachheizung die 55° halten können, das HERMS/HE-RIMS-System hätte weit unter 20 Minuten gebraucht. Das scheint mir aber auch logisch, denn sollte die Würze am Ende der Wärme-Austausch-Spirale die HLT-Temperatur angenommen haben, so bräuchte man bei 9l/min Pumpenleistung allenfalls 3-4 Minuten, um die kompletten 20l Würze auszutauschen. Somit würde sich die theoretische Aufheizzeit im wesentlichen durch die Pumpenleistung und Maischevolumen bestimmen lassen.

Ab der 7.ten Minute rennt der MLT dann dem HLT mit knapp 4°C Temperaturunterschied hinterher, um dann aber bei 52°C HLT und 48°C MLT noch knapp 5 Minuten zu brauchen, um sich letztendlich asymptotisch langsam der Endtemperatur zu nähern.
 


Ähnlich ist es beim HEMS System. Die HLT-Temperatur bricht hier jedoch nur auf 44°C ein, und braucht gut 20 Minuten, um wieder auf die 52°C HLT zu kommen (bei dann 46°C MLT). Dieses scheint der Tatsache geschuldet zu sein, daß im MLT nicht gerührt wurde, die Temperator also nicht per Konvektion vom coil abgeführt wird, sondern sich langsam per Diffusion durchsetzen muß. Sollte gerührt werden, so prohezeihe ich auch hier bessere Aufheizzeiten.
Nach Annäherung an die Vorlauftemperatur braucht das HEMS-System dann aber gut 15 Minuten, um die letzte Temperaturdifferenz im nicht gerührten MLT anzunähern.
 



Da der erste Aufheizvorgang jedoch üblicherweise mit Wasser gemacht wird, kann ein Anbrennen der Heizspiralen ausgeschlossen werden, und eine Enzymschädigung durch zu starke Heizkörperberührung ebenfalls ausgeschlossen werden. Wie sieht es daher beim brautechnisch wichtigeren Aufheiz-Rasten aus: 
 
Beim weiteren Aufheizen (20l Wasser von 55°C auf 62°C):
 
•Bottichsystem  mit elektrischer Bodenheizung :                 10 Minuten
•HERMS/HE-RIMS mit „wort thru coil im HLT“:                 11 Minuten
•HEMS ala Stahlsau mit „water thru coil im MLT“:                 22 Minuten


 
Das DH-Bottichsystem überfährt die Rast.
Auch ist beim HERMS/HE-RIMS wieder ein Einbrechen der HLT-Temperatur zu beobachten:

 

Jedoch füht dieses nur kurz zu Verzögerung, und das HERMS/HE-RIMS-System kann sich auch hier gut gegen Direct-Heating bzw. RIMS-Systeme behaupten.

Beim HEMS-System mit water-thru-coil-im MLT jedoch :
Da der Temperaturkoeffizient zwischen dem HLT-Vorlauf und der Maische aber nur gering ist, kommt hier die asymptotische Näherung an die Endtemperatur dann viel stärker zum tragen - im Verbund mit der schlechten Wärmedurchdringung/abfuhr.

 

Die Aufheizzeit liegt beim gut doppelten der normalen Zeit.



Beim weiteren Aufheizen (20l Wasser von 62°C auf 68°C) dann ähnlich:
•Bottichsystem  mit elektrischer Bodenheizung :                 7 Minuten
•HERMS/HE-RIMS mit „wort thru coil im HLT“:                 9 Minuten
•HEMS ala Stahlsau mit „water thru coil im MLT“:                 18 Minuten



Zusammenfassend mag ich behaupten, daß entgegen meiner Erwartung die Aufheizzeiten bei den beiden Systemen DH/RIMS (Direct heating) und HERMS/HE-RIMS (HeatExchange) vergleichbar sind. Bei gut konfiguriertem System wage ich zu behaupten, daß bei der Aufheizzeit das HERMS/HE-RIMS-System sogar die Nase vorraus hat, da die Zieltemperatur nicht überfahren werden kann.

Für mich persönlich stellt die lange Aufheizzeit des HEMS-Systems mit water-thru-coil im MLT sich nicht als Totalversagen heraus.  Sollte ich dieses System nutzen, so muß ich nur diese langen Heizphasen als Systemparameter einarbeiten, und bei den Rasten vorher und folgend jeweils 5-8 Minuten abziehen. Zum anderen kann ich aber auch noch die Aufheizzeiten durch Rühren der Maische positiv beeinflussen.

Für Interessierte, hier die Daten.

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